BDV 2019
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
sehr geehrte Fördermitglieder, liebe Heike,
ein ereignisreiches europäisches Jahr liegt hinter uns, nicht nur die Wahl zum Europaparlament, bei der die beiden Blöcke Sozialisten und Konservative ihre gemeinsame Mehrheit verloren haben, nicht nur die schwierige Bildung der neuen EU-Kommission unter Ursula von der Leyen, die bis heute nicht abgeschlossen ist, nicht nur ein immer wieder verschobener Brexit, sondern auch – als wohl einschneidendstes Ereignis für unseren Berufsstand – die Entscheidung des EuGH zur HOAI und ihren Mindest- und Höchstsätzen vom 4.Juli 2019.
So sehr wir aus deutscher Sicht den Verlust des einklagbaren Mindestsatzes als zentrales Element der HOAI beklagen, so interessant ist, wie andere Länder, allen voran Spanien, die anderen Aussagen des Urteils beinahe euphorisch begrüßen, insbesondere der Justitiar der spanischen Bundesarchitektenkammer, der seine Ein-schätzung bereits am 8.7.2019 vorgelegt hat.
Das war auch Thema bei der AKI-Sitzung diesen Montag in Berlin. Deshalb habe ich für die ACE-Generalversammlung nächste Woche in Barcelona in Abstimmung mit der BAK eine Resolution entworfen, die wir dort einbringen wollen, um andere Länder auf die Fort-schritte aufmerksam zu machen, die in diesem Urteil enthalten sind. Es geht dabei auch darum, die Interpretation des Urteils, das sich zum Teil gegen die Argumentation des Generalanwalts und die Haltung der EU-Kommission wendet, in unserem Sinne zu beeinflussen.
Eine wesentliche Aussage des Urteils ist, dass Honorarordnungen mit verbindlichen Mindestsätzen sehr wohl geeignet sein können, die Qualität der gebauten Umwelt und der Umwelt insgesamt zu sichern. Es wird sogar im Umkehrschluss darauf verwiesen, dass in einem Markt wie dem deutschen, mit einem hohen Sättigungsgrad an Dienstleistungserbringern, das Fehlen einer Honorarordnung zuerst zum Preisverfall, dann zum Qualitätsverfall und schließlich zu einem Verlust an Anbietern führen wird, die Qualität überhaupt noch liefern können.
Kaum wurde das Thema HOAI mit dem EuGH-Urteil vorerst abgeschlossen, attackierte die Kommission mit einem neuen Vertragsverletzungsverfahren, nun gegen Österreich, die Beteiligungsregeln für Architektur- und Ingenieurbüros, die Kapitalgesellschaften sind. Eine gewissen Achillesferse in Deutschland ist, dass mehrere Bundesländer in ihren Kammergesetzen verlangen, dass mindestens
51 % der Gesellschaftsanteile in der Hand von Architekten oder beratenden Ingenieuren sein müssen, die anderen aber nur 50 %. Soweit es sich dabei um Gesellschaften handelt, die den Namen Architekt, Innenarchitekt, Landschaftsarchitekt oder Stadtplaner im Titel tragen und dies geschützte Berufsbezeichnungen sind, ist es nicht nachvollziehbar, dass hier nicht entsprechende Beteiligungs-verhältnisse vorgeschrieben werden können. Von der BAK liegt dazu eine Formulierungsvorlage zum Musterarchitekten-Gesetz bereits aus 2015 vor. Zur Zeit wird das Urteil gegen Österreich daraufhin überprüft, inwieweit es auch auf Deutschland anwendbar ist.
Natürlich gibt es neben diesen großen Themen eine Vielzahl weiterer Punkte, die uns in Europa beschäftigen, die ich aber aus Zeitgründen jeweils nur kurz ansprechen möchte. Sie finden diesen Bericht dann auch wieder, wie gewohnt, in unserem Berliner Brief.
Wie ich bereits letztes Jahr berichtet habe, möchte die EU-Kommission gerne alle Gesetze und Regelungen, die den freien Handels- und Dienstleistungsverkehr betreffen, vorab zur Notifizierung vorgelegt bekommen. Hier herrscht jedoch eine Blockade mit den Mitgliedsstaaten, die ihre Gesetzgebungsvollmacht nicht aufgeben wollen. Es wird also dabei bleiben, dass die EU-Kommission, wenn ihr etwas nicht passt, ein Vertragsverletzungsverfahren einleiten muss.
Die Richtlinie (EU) 2018/958 über eine Verhältnismäßigkeits-prüfung vor Erlass neuer Berufsreglementierungen ist am 29.7.2018 in Kraft getreten. Die Bundesregierung muss bis Ende Juli 2020 das in Deutschland umsetzen. Man will da den Ball aber sehr flach halten. Für die Kammern bedeutet das voraussichtlich, dass bei neuen Reglementierungen nur der Satz darunter stehen muss: „Die Verhältnismäßigkeit der Regelung wurde überprüft.“
Im September hat in Paris die Sitzung der ACE-Arbeitsgruppe Wettbewerb und Vergabe stattgefunden, an der Axel Mutert teilgenommen hat. Dort ging es vor allem um das Thema Schwellenwert und Auswirkung auf KMU´s. Herr Mutert hat angestoßen, dass ein Überblick erstellt werden muss, wie in den einzelnen Mitgliedsländern – besonders auch ohne eine Honorar-ordnung – ermittelt wird, ob das Honorar für ein Bauvorhaben den Schwellenwert reißt, oder nicht. Hier geht es einerseits um die Zusammenrechnung aller Planerhonorare, andererseits aber auch um das „Schönrechnen“, um bestimmte Bauvorhaben nicht europaweit ausschreiben zu müssen. Im Umkehrschluss schadet ein niedriger Schwellenwert den vielen kleinen und mittleren Architekturbüros, die bei europaweiten Ausschreibungen kaum mitmachen, weil sie sich auf diesem Niveau als nicht konkurrenz-fähig einschätzen.
Ich selbst war Mitte Oktober im Malta bei der ACE-Arbeitsgruppe für Fort- und Weiterbildung, Dienstleistungsrichtlinie und Berufsanerkennungsrichtlinie. Hier ging es vor allem um das Thema Mixed Qualifications und automatische Anerkennung. Wie ich weiß arbeiten viele unserer Kolleginnen und Kollegen mit Mitar-beitern aus anderen EU-Ländern – und darüber hinaus. Damit diese europaweit automatisch als Architekten anerkannt werden können, müssten sie Grundstudium und berufliche Erfahrung in dem gleichen Land gemacht haben. Das ist oft nicht der Fall. Doch zeichnet sich wegen den unterschiedlichen Bestimmungen in den verschiedenen Ländern bisher keine Lösung ab.
Die letzte Generalversammlung, die im Mai in Innsbruck stattgefunden hat, stand sehr im Zeichen des Themas „Wie erreicht man Qualität“ in der gebauten Umwelt und der Davoser Erklärung vom Januar 2018.
Die nächste Generalversammlung findet, wie eingangs erwähnt, nächste Woche in
Barcelona statt. Dort wird es sehr um die Ideen junger Architekten für verantwortungsvolles, ressourcen-schonendes und klimaschonendes Bauen gehen.
Auch 2020 wird die VfA als Mitveranstalter an dem Außenwirtschaftstag Architektur, Planen und Bauen teilnehmen. Thema am 11.2.2020 im Auswärtigen Amt in Berlin ist:
„Europa und Afrika – Gemeinsam neue Partnerschaften bauen“
Dabei handelt es sich um eine offene Veranstaltung für alle Mitwirkenden an der Wertschöpfungskette Bau. Ausführlichere Informationen entnehmen Sie bitte dem Berliner Brief.
Mit diesem Ausblick auf eine hoffentlich noch bessere Zukunft darf ich mich für Ihre Aufmerksamkeit bedanken.
14.11.2019, Osnabrück
Alexander Schwab